
Innovatives Lernprojekt im DAZ-Kurs:
Ein Steinhaus als Sprach- und Wissenslabor
Wie baut man ein Steinhaus?
Und was hat das mit der deutschen Sprache zu tun? Ein außergewöhnliches Unterrichtsprojekt im DAZ-Kurs (Deutsch als Zweitsprache) zeigt, wie handwerkliche, architektonische und technische Herausforderungen zu einer lebendigen Lernumgebung werden können.
In einem lichtdurchfluteten Klassenzimmer hört man geschäftiges basteln, leises Stimmengewirr in verschiedenen Sprachen und gelegentlich begeisterte Rufe. Hier wird kein gewöhnlicher Unterricht abgehalten, sondern ein ehrgeiziges Projekt realisiert: Die Schüler*innen des DAZ-Kurses planen, entwerfen und bauen ihr eigenes Steinhaus – und das mit einem klaren Ziel: sprachliche, handwerkliche und naturwissenschaftliche Kompetenzen miteinander zu verknüpfen.
Sprache im Praxisalltag
Das Projekt ist speziell darauf ausgelegt, die Sprachkenntnisse der Schülerinnen zu erweitern. „Wohnen, Bauen und Architektur sind Themen, die einen hohen Alltagsbezug haben“, erklärt die verantwortliche Lehrkraft Herr Symior. Im Projekt kommen praktische Übungen zum Einsatz, bei denen die Schülerinnen gezielt Begriffe, grammatikalische Strukturen und Redewendungen rund um diese Themenfelder lernen und anwenden. Ob beim Lesen eines Bauplans, bei der Planung der Statik oder beim Diskutieren über die Anordnung von Räumen – die deutsche Sprache wird unmittelbar und problemorientiert genutzt.
Problemlösen als Schlüsselkompetenz
Die Schülerinnen stehen dabei vor realen Herausforderungen: Wie hält eine Mauer stabil? Wie müssen Fenster und Türen eingebaut werden? Und wie lässt sich ein Haus mit Licht versorgen? Durch Anleitung, Textarbeit und das Prinzip von Versuch und Irrtum entwickeln die Schülerinnen Strategien, um bautechnische und handwerkliche Problemstellungen zu lösen. Dieser praktische Ansatz motiviert die Jugendlichen, ihre Fähigkeiten einzubringen und Neues auszuprobieren.
Von der Baustelle ins Labor
Ein besonderer Schwerpunkt des Projekts liegt auf den naturwissenschaftlichen Grundlagen. Im Bereich der Elektrizitätslehre lernen die Schüler*innen, wie einfache Stromkreise funktionieren, und setzen dieses Wissen ein, um das Steinhaus mit einer Beleuchtungsanlage auszustatten. Leitungen werden verlegt, Schaltungen getestet – und manchmal fließt der Strom eben nicht sofort. „Gerade die Fehler sind wertvoll“, sagt die Lehrkraft. „Sie fördern den Entdeckungsdrang und regen die Diskussion an.“
Digitales Design: Möbel aus dem 3D-Drucker
Das Projekt macht auch vor modernen Technologien nicht halt. Mit dem Programm Thinkercad tauchen die Schüler*innen in die Welt des digitalen Designs ein. Sie entwerfen Möbel im Maßstab 1:20, die später mit einem 3D-Drucker hergestellt werden. Dabei lernen sie nicht nur den Umgang mit Software, sondern auch wichtige Grundlagen von Maßstäben und Proportionen – ein weiterer Schritt in Richtung beruflicher Orientierung.
Berufsperspektiven im Fokus
Der spielerische und forschende Umgang mit Architektur, Statik und Technik soll den Schülerinnen vor allem eines zeigen: die Faszination naturwissenschaftlicher und mathematischer Berufsfelder. Für viele bietet das Projekt eine erste Annäherung an Berufe, die sie bisher nicht in Betracht gezogen haben. „Die Schülerinnen erfahren, dass sie in der Lage sind, komplexe Probleme zu lösen. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und weckt Interesse an technischen und handwerklichen Berufen“, betont die Projektleiterin.
Das Fazit: Lernhäuser voller Möglichkeiten
Das Steinhaus-Projekt im DAZ-Kurs ist ein Paradebeispiel für innovativen Unterricht, der Theorie und Praxis nahtlos miteinander verbindet. Während die Schülerinnen am Steinhaus arbeiten, erlernen sie nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch wertvolle Kompetenzen in den Bereichen Technik, Architektur und Teamarbeit. Und wer weiß: Vielleicht wächst in diesem Kurs gerade die nächste Generation von Architektinnen, Ingenieurinnen oder Handwerkerinnen heran. „Es ist ein tolles Gefühl, zu sehen, was wir gemeinsam geschaffen haben“, sagt eine Schülerin stolz, als sie den Lichtschalter betätigt und das Steinhaus zum Leuchten bringt. Ein Projekt, das nicht nur Häuser, sondern auch Brücken baut – zwischen Kulturen, Sprachen und beruflichen Perspektiven.
Ralf Symior (Technik- und Erdkundelehrer, Realschule Strünkede)